Sonntag, 23. Februar 2014

An und aus

Vera Sofia Mota / Kristoffer Ström | Second Love 

Foto: Paulo Chinatown Matosinhos


Zwei Performer, die hintereinander etwa 10 Minuten in einem dunklen Raum tanzen. Ab und zu geht ein Strahler an und dann wieder aus. Was bleibt sind Silhouetten. Und noch fast siebzig Worte, die ich mehr hätte schreiben müssen. 

Foto: Paulo Chinatown Matosinhos


//ls

I'm just a little girl caught in the middle

Kasia Wolinska | Hi Mary

Mary sagt nett „Hi!“ Das ist voll schön, weil man bei Mary alles machen kann, was man halt so gerne macht. Kleine dufte Törtchen essen. Fotoalbum gucken. Auf einer Matratze lungern. Herzkissen auf der Brust zerdrücken. Mary sieht auch hübsch aus, erst in ihrem Löwengesichtspulli, dann in königsblauem Badeanzug und Trainingshose. Lustig, dass sie ihren angezogenen Popo in einer Wanne nass macht. Süß, wie sie so heartbroken säuselt. Es riecht fein nach Seife, weil überall Fußbäder rumstehen, in die man seine Zehen hängen darf. Schuhe musste man eh ausziehen. Nett bei Mary. Mhm.

//fs

Treffen sich Artistin und Softwareentwickler


Ein Interview mit Vera Sofia Mota und Kristoffer Ström.

What were your first experiences with theatre?

Before this project, Kristoffer had no experience in the field of performance art. He was so taken by the experience, he was heard exclaiming 'I have a body'. Vera began her training at age eleven with classical and modern dance classes in her home town, Espinho. She often says that she would like to be out of her body.

What is the idea of your art in general?

Coming from philosophical, scientific and artistic backgrounds, we want to explore concepts of bodies, movement, position and perceptions thereof. We are experimenting as we go with software and hardware technology.

How did you get the idea for the performance Second love?

In 2009 Vera did the performance There is no love like the first, where she combined classical ballet 'positions' with 'natural' movements of the body using a stroboscopic light to allow, that neither the creator nor the spectator could choose completely what was being shown or received. At this same time, Kristoffer was working on a sequencing program for music and sound.
We met in Berlin in 2011 and for Second Love we wanted to go further in exploring the relations between light, body, movement, and perception and we decided to create a structure within which we can add sounds and music as well as control the light in different ways, playing with construction and randomness and pushing the game a bit further while confronting our different physical languages under this apparatus.

How would you describe the relationship between the two of you?

We like to think about our friendship in philosophical terms, as in being stronger together than each on their own, and having a kind of common language, or pre-language, that allow us an intense exchange and questioning of each other's ways of relating, working and acting.


Vera Sofia Mota / Kristoffer Ström
Second Love
Sonntag, 17 Uhr
HAU3 Bühne                         

Wenn sonntagmorgens die Milch für den Kaffee alle ist


Wir haben Anna-Lena Kühner nach den Dingen gefragt, die sie mag (Ironie | Zombiefilme | Coverversionen von guten Songs finden, die besser als das Original sind) und die sie nicht mag (Kakerlaken | Berliner Gehwege voller Hundekacke | sonntags aufwachen und feststellen, dass die Milch für den Kaffee alle ist) – und dann daraus eine kleine Geschichte aus dem versehrten Leben geschrieben. 

Nur eins ist schlimmer: Wenn während der Depression einer Zombieapokalypse sonntagsmorgens die Milch für den Kaffee alle ist. Langsam nur dämmert im Halbschlaf die Realisation, langsam nur wird die Kaffeelosigkeit zur Gewissheit. Es ist so dunkel, dass ich für einige Zeit glaube – wie lange genau, weiß ich nicht –, ich sei noch immer bewusstlos. (Stephen King)


Noch halb im Heile-Welt-Traum kämpft man sich aus der Bettdecke, die sich im Schlaf heimtückisch um die Beine gewickelt hat, stolpert über Gehwege voller versteinerter Hundekacke und durch das Unterholz von Berliner Parks auf der Suche nach einem Kiosk, einer Tankstelle, nach kühler, weißer Vollmilch. Hat man das entlegene Füllhorn dann entdeckt, ist es meist immer dasselbe: Der Besitzer ist schon mutiert und man schlägt ihm den Schädel mit Handquirl oder Toiletten-Gummipümpel ein, oder die Tankstelle ist bereits geplündert und von Kakerlakenkolonien bevölkert mit Schimmepilzpunktemustern auf Tresen und leergeräumten Regalen. Milch gibts hier jedenfalls nicht. Einziger Lichtblick an diesem tristen Tag: Der Zombiepenner, der im Park auf seiner Gitarre dudelt, spielt die weltweit schönste Coverversion von Mrs Robinson. Besser als das Original. 

//ar

Anna-Lena Kühner
Autopsie
Sonntag, 20 Uhr
HAU2 Foyer

Die tägliche Mutter. Teil 3: Stiefkinder

 
Liebe Mutter,

ich stehe kurz vor der Machtübernahme. Das wird Wände beschreiben. Neben mir steht schon einer mit einem roten Stirnband. Es signalisiert Alarm. Wir hecken aus, wie wir aus Grauzonen Geschäftsmodelle erstellen. Es hat mit der Zentrifugalkraft und gesellschaftstauglicher Umstandsmode zu tun. Jedenfalls bin ich dann gegen Nachmittag diesem Syndikat beigetreten. Alles hier entwickelt sich zu einem großen Zusammenhang. Ich finde neue, maximal brisante Fragen, zum Beispiel: Warum sind vor 50 Jahren Leute mit Raketen auf den Mond geflogen, die dümmer waren als ein Taschenrechner? 
Meinen Berechnungen nach, schreibe ich dir auch morgen.

Halt die Fahnen hoch,
//tot

Awooooooo!


Savage Amusement | Wer hat Angst vor meinem kleinen Wolf?


Alphawölfin – Ein Crashkurs.

Zwei Minuten im Pelzmantel auf der Stelle rennen.
Ein Liebeslied schreiben. Betrunken. Früh morgens.
Rotkäppchen-Puppentheater spielen. Ohne Puppen.
Über einhundert Fremde zu einem Howling-Voice-Choir überreden.
Ein Wolfskostüm anziehen.
“Wer hat Angst vorm bösen Wolf?“ spielen.
Fünf Fremde zu einem Wolfsmusik-Jam überreden.
Einen Wolfstanz erfinden.
Damit zu Elektromucke abgehen.
Männerchormusik dramatisch interpretieren.
Ausziehen. Vor über einhundert Fremden.
Eine Krone aufsetzen.
Eine Wunderkerze anzünden.
Nackt dastehen zu einem Anne-Carson-Gedicht aus dem Off.
Einen Fremden laut aus einem Wolfsbuch lesen lassen.
Dabei das Gelesene nachspielen.
Einen coolen Abgang hinlegen.
Zuhören wie dein neues Rudel nach Zugabe heult.

//mp

Face Time


Louise Trueheart | Lovewell

Foto: Arne Schmitt
Du darfst dich setzen, die Schuhe kannst du anlassen. Wie geht es dir? Möchtest du einen Whisky oder ein Wasser? Weder noch, in Ordnung. Wie geht es dir? Ist es okay, wenn ich deine Lippen mit Lippenstift anmale? Nun setze ich dir die Kopfhörer auf und ich drücke auf Play. Etwas Schnelles mit Synthesizern. Ich schaue mir dein Gesicht an. Mit den Augen, aber noch viel mehr mit den Händen. Ich taste dein Gesicht ab, ganz genau taste ich dir über die Haut, an der Stirn, die Nasenlöcher entlang und ich zippe an deinen Augenlidern. Ich drücke ein Auge zu, verdrücke dein Gesicht, und natürlich musst du dabei lächeln und ich lächele zurück. Wenn ich dich dann erkundet habe und dein Gesicht ist voll mit Lippenstiftrot, drücke ich auf Stopp, ich nehme dir die Hörer ab und bedanke mich, danke, thank you so much.

//sim

Wie Sand durch Hände

Die Kneten | Aus Dauer

Manchmal kann die Zeit schneller vergehen, als gedacht. Die Riesensanduhr, die eigentlich die Aktionsspanne von Aus Dauer abstecken sollte, läuft aus, als eine Performerin versehentlich dagegen stößt. Ein Glücksfall für die Aufführung. Kunstfläche und Theatersportübung weichen einem unverhofften Dialog zwischen Akteuren und Zuschauern: „Will noch jemand etwas sagen? Zeit wäre da.“ „Die analoge ist kaputt, aber die digitale funktioniert ja noch.“ „Hat jemand ein Handy und kann die Zeit stoppen, damit wir wissen, wann wir aufhören müssen?“ „Naja, das Auto ist ja auch noch da, wenns kaputt ist.“ „Gut. Also, schaufeln wir den Sand wieder oben rein!“ 

// fs

Verschachtelt


Ren Saibara | Wachsen Wachsen Wachsen 

eine gruppe geht um auf dem 100°, die schweigt, trägt einen schutz um den mund. der steht für etwas ungesagtes, der lässt uns fürchten wir könnten uns was fangen. eine gruppe baut haustürme aus schachteln, beklebt sie mit bildern von menschen ohne obdach. beklebt sie mit deren worten. lässt sie aufragen in einem raum voll menschen. die hausturmschachteln sind nicht unsere schachteln. die unseren sind geräumig. sind vollgestellt mit dingen. haben wasser und licht. sind warm zum drin schlafen. sind schnell zum drin fahren. sind schachteln aus stein und metall. solche die alles verdrängen. die sich wuchernd vermehren. wie unkraut. eine gruppe geht um, die gibt uns pläne zur hand. solche zum bau von häusern aus pappe. eine gruppe, die stellt uns schachteln in den weg. nackte pappe, groß genug zum drin sterben. unsere schachteln, wenn wir mal den löffel abgeben, die werden rot ausgelegt sein mit samt.

//mp

Dabei sein ist alles


Niklas Leifert | Das letzte Testament
Foto: Arne Schmitt
Was, wenn sich die Reben plötzlich selbstständig machen vom Weinstock? Sie können Wasser herstellen und Licht, schließlich sogar selbst wurzeln. Der Weinstock wird überflüssig, der moderne Mann auch. Niklas Leifert nimmt einen neuen Fokus auf das Thema Feminismus und Gender: Den des werdenden Vaters. Mit ein bisschen weniger Glühbirnenfetischismus und ein bisschen mehr rotem Faden hätte das klappen können, so werden Religion, Familie und Technologie zu einem Wein verpanscht, den auch ein Student am Ende des Monats nicht unbedingt genießen kann. Auf das Neugeborene wartet man übrigens vergebens: Der werdende Vater tötet Frau und reißt das Kind mit der Hand aus der Gebärmutter, weil er dort selbst hineinkriechen will. Nunja.

//ar

Es gibt Steine



Julia Nischke | Tocotronic_Eine Liebeserklärung? 


Nach der Tocotronic Fandom-Lecture-Performance habe ich den Text von Let There Be Rock übersetzt. Mehrfach.


 
Deutsch Englisch Französisch Spanisch Russisch → Deutsch
Der Song heißt jetzt „Es gibt Steine“. Und der Text geht so:


Es gibt Steine

Wir setzten
In der langweiligste Weltbühne
Wir sprechen
Und wir fanden, dass wir es lieben, hier

Ausbeutung des Menschen
Er erreicht eine neue Qualität
Und wie kann man überall hören
Wenn die Kunst hier und immer noch behaupten Garten

Ich habe gehört, Sie sagen,
Leiser als laut
"Junge Menschen haben
Eigenbau "

Es gibt Steine (3x)

Und wir alle hassen
Vom ersten Tag
Lassen Sie uns nie
Denn eigentlich, ja, können Sie

Ich habe gehört, Sie sagen,
Leiser als laut
"Junge Menschen haben
Eigenbau "

Es gibt Steine (3x)

Es gibt Steine (3x)

Es gibt Steine (4x)

Für die Liebe Gottes
nur eine Stunde
Nur noch einen Tag

Es gibt Steine

Bart

Es gibt Steine (2x)

//tot

Please come closer


Benjamin Pohlig | Dance Yourself Clean (Or: Where do we go from here)

I never know how to start this piece because I can't really say what it's about. Please come closer. Benjamin Pohlig vermisst in Dance Yourself Clean Zwischenräume und Zuschauer, Utopien und Nervositäten. Stelle dich einem Fremden vor. Stelle dich vor mich. So nah, bis  nichts mehr zwischen uns passt. Tanz mit mir. Individualreviere werden geschrumpft, fremden Köpfen die Hand aufgelegt, im Kollektiv gegroovt. Als sich die Traube schließlich voneinander löst, entsteht ein Riss im Raum, in der Leerstelle schwingt noch die Energie von gerade eben. This is the space we share now. Ende. Dabei will ich noch gar nicht gehen.

//ar

Klub der Kavaliersdelikte #Zeitvertreib

Du darfst mich zum Schnaps einladen.

Mitternachtsgeballer: Ich baller mir einen hinter die Binde! Erst nach dem Zielwasser zeigt sich meine Zielunsicherheit. Was habe ich versucht zu treffen? Ist auch egal, Hauptsache ballern. Liebes Kdk,entschuldigt die kaputte Kanone.

 
Foto: Matthias Nizinski

Jetzt haben wir so viel über Kakao geredet


Haneder_sommerfeld | instant Hermessteigtherab

Foto: Roger Rossell
Ich war eigentlich ganz gut in der Zeit. Auf der Straße, Wedding, Haltestelle Pankstraße, aber den Namen von der Straße, in der das Haus meiner Gastgeberin war, hatte ich vergessen. Aber Namen, das hat der Seniorensprechchor in der Performance dann später gesagt, sind auch nicht wichtig, wichtig ist, wie die Leute gelebt haben. Das muss jede Generation neu gefragt werden – wie sie gelebt hat. Ich war also gut in der Zeit auf der Straße in Wedding, ich hörte viel Türkisch, das verstand ich natürlich nicht, und ein kleines Mädchen, das sagte, sie spielt kein Instrument, weil sie darf nicht, ihre Mutter sagt, das ist zu teuer. Das Mädchen spricht schon anders als ich, und ich spreche natürlich anders als die beiden Performer später, die sprechen nämlich so wie die, die in Potsdam 1950 gelebt haben, die geben der Generation in ihrem Stück sozusagen eine Stimme. Ich bin dann mit der U-Bahn ein paar Stationen gefahren, dann bin ich ausgestiegen und in die falsche Richtung gelaufen, da wurde es dann doch noch knapp, aber weil ich auf Google Maps nachgeguckt habe, habe ich es dann gerade noch zur Performance geschafft. Das war jetzt alles nicht so spannend, aber der Seniorensprechchor hat gesagt, sie sind auf der Suche danach, sie sind auf der Suche nach dem Uninteressanten. Deswegen wurde in der Performance auch ziemlich lange über Kakao geredet, am besten instant, und über das Marktcenter und solche Sachen. Das kann dann beim Zuhören ziemlich lang werden und ziellos wirken, aber auf der anderen Seite ist es ein Versuch, Sprache und Leben in eine authentische Form zu bringen, was ja nie ganz klappt, weil es halt einfach nicht geht, aber bei Haneder_sommerfeld schon echt gut.

//sim

Shuttle bei Heiko

 
Heiko und seine fünf Kollegen machen den Shuttleservice zwischen den Spielstätten HAU, Sophiensäle und Ballhaus Ost. Der Urberliner hatte nach der Wende einen traditionellen Bauchkessel, aus dem er Bockwürste an Touristen verkaufte. Solche und andere Geschichten bekommen gehetzte Festivalbesucher zu hören, während sie sicher an die Spielstätte ihrer Wahl gefahren werden. Eine mobile Gemütlichkeit zwischendurch und somit wärmstens zu empfehlen. //mn


Wimmelbild mit Wirbeltieren

Daniel Hinojo | The Mammals - Die Säugetiere

Am Anfang war das Reptil. Aus dem Reptil entwickelten sich Vögel. Andere wurden zu Säugetieren. In der christlichen Ikonographie begegnen sich Säugetiere und Reptilien. Adam weiß nichts von seinem Körper. Eva und die Schlange wissen genau. Eine Nonne, Kunstmäzenin und gewillt ihre Hüllen niemals fallen zulassen, präsentiert „in this great hall oft the avant-garde“ ihren neusten Fund: Das Gemälde „The Mammals“. Auf der Bühne entfaltet sich ein Wimmelbild, bei dem den Betrachtern die Augen übergehen mögen vor Schönheit und Skurrilität. Eine Mutter beobachtet ihr spielendes Baby. Eine Frau räkelt sich lasziv. Eine andere übt Joga. Ein Mann verfängt sich in seinem Klappstuhl. Ein Osteopath behandelt einen Körper. Ein Junge und sein Vater bauen eine Riesenangel. Bis das Bild erlischt. Als letzter verlässt ein Hund die Bühne, treuester Freund des höchstentwickelten Säugetiers. 

//fs

Zuckerhut und Peitsche


Mikado | Puderzucker

Das Bett wird zur Badewanne, wird zum Handtuch, wird zum Brautkleid. Zu Beginn gibt es Pralinen für jeden. Ihre Süße schmeckt man durch zwanzig Minuten Schauspiel. Vielleicht kommt es einem aber auch nur so vor. Der Grund mag sein, dass alles Gezeigte so verniedlicht wirkt. Immer ist vom Traumurlaub am Meer die Rede. Dort sei der Sand so wie Puderzucker. Weil die Perspektive die einer Konditoreiverkäuferin ist, liegen solche Assoziationen nahe. Der Schmerz häuslicher Gewalt jedoch dringt nicht wirklich durch diese Mauer zuckersüßer Vergleiche. Das Abstreifen des Eherings wird zum Tanz.

//mp

Vegan or Free-gan?


Ich brauche Rat. Ich bin unzufrieden mit mir. Ich muss etwas an mir ändern. Gut, dass Crystal Tits Rat wissen. 

Nachdem ich den beiden und mir Wodkashots erschnorre, kommen die besten bad advices wie von selbst. Eine Karte, die von der Kristallkugel ausgewählt und vom Dreieck bestätigt wurde, hat die Strategie für mich parat, mit der ich eine sexier und most-fun alternative meiner selbst werden kann. Ich muss ein Free-gan werden. Meine Freundlichkeit vergessen und den Anarchie-Button durch Stars-and-Stripes ersetzen. Ihr werdet mich demnächst auf der Karl-Marx-Straße sehen, in einer USA-Leggins, logo. //mn