Donnerstag, 20. Februar 2014

Wie viele Großmütter hast du?


Meret Kiderlen präsentiert beim 100° mit der Lecture-Performance Meine drei Großmütter das vierte Projekt des Archivs der Flüchtigen Dinge. Wir haben mit ihr gesprochen.


1OOWORT: Archiv und Flüchtigkeit, Archiv und Theater: das klingt für mich nach Gegensätzen…

Meret Kiderlen: Wenn man etwas archivieren will, schreibt man es auch fest. Man nimmt ihm das Lebendige. Dabei steckt in den Dingen, die man in einem Archiv bewahren will, zum Beispiel in den Erinnerungen an die oder von den Großmüttern auch immer etwas Flüchtiges, das sich weiterentwickelt, nie bleibt, was es ist. Das Theater ist ja auch immer eine flüchtige Erscheinung und kam uns deshalb als der geeignete Ort vor, um diese ständige Weiterentwicklung der Dinge zuzulassen, sie festzuhalten und gleichzeitig als lebendige Phänomene zu belassen.

Wie gestaltet sich eure Arbeit als Archivare?

Wir sind kein festes Kollektiv, sondern eher ein Kern an Leuten, die in unterschiedlichen Konstellationen zu den einzelnen Projekten hinzustoßen. Idee ist es, einen Archivaufbau jeweils so zu verdichten, dass er zum nächsten Projekt führt.

Deine Lecture-Performance Meine drei Großmütter basiert auf einem O-Ton eines Interviews mit deiner Großmutter, den ihr auch schon im zweiten Aufbau und der dritten Inszenierung verwendet habt.

Der O-Ton ist wie die Partitur des Stücks. Meine Großmutter hat versucht, auf meine Fragen zu antworten. Weil sie an Alzheimer erkrankt ist, hat das nicht richtig geklappt. Sie hat ihre Erzählung immer wieder abgebrochen und von vorne angefangen, ihr Erzählen verändert. Die Worte, die sie dabei verwendet hat, waren nicht die, die eigentlich für die Erzählung vorgesehen waren. Sehr traurig, aber auch unheimlich poetisch. Nach diesem Prinzip des Versuchens und Scheiterns funktioniert auch die Lecture-Performance.

Geht es also mehr um das Vergessen als ums Erinnern?

Um beides. Ich würde sagen, der O-Ton meiner Großmutter ist einfach nur eine Extremform davon, wie wir immer erinnern. Wir erzählen Dinge ja auch nie ganz gleich und trotzdem greifen wir immer auf Muster zurück, die wir uns selbst gesetzt haben. Hinter diesen Mustern ist die eigentliche Erinnerung oft gar nicht mehr richtig da.

//fs

Archiv der flüchtigen Dinge #4
Meine drei Großmütter
Donnerstag, 20 Uhr
HAU2 Foyer

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