Meret Kiderlen
präsentiert beim 100° mit der Lecture-Performance Meine drei Großmütter das
vierte Projekt des Archivs der Flüchtigen Dinge. Wir haben mit ihr gesprochen.
1OOWORT: Archiv und
Flüchtigkeit, Archiv und Theater: das klingt für mich nach Gegensätzen…
Meret Kiderlen: Wenn
man etwas archivieren will, schreibt man es auch fest. Man nimmt ihm das Lebendige.
Dabei steckt in den Dingen, die man in einem Archiv bewahren will, zum Beispiel
in den Erinnerungen an die oder von den Großmüttern auch immer etwas
Flüchtiges, das sich weiterentwickelt, nie bleibt, was es ist. Das Theater ist
ja auch immer eine flüchtige Erscheinung und kam uns deshalb als der geeignete
Ort vor, um diese ständige Weiterentwicklung der Dinge zuzulassen, sie
festzuhalten und gleichzeitig als lebendige Phänomene zu belassen.
Wie gestaltet sich
eure Arbeit als Archivare?
Wir sind kein festes Kollektiv, sondern eher ein Kern an
Leuten, die in unterschiedlichen Konstellationen zu den einzelnen Projekten hinzustoßen.
Idee ist es, einen Archivaufbau jeweils so zu verdichten, dass er zum nächsten
Projekt führt.
Deine
Lecture-Performance Meine drei Großmütter basiert auf einem O-Ton eines
Interviews mit deiner Großmutter, den ihr auch schon im zweiten Aufbau und der
dritten Inszenierung verwendet habt.
Der O-Ton ist wie die Partitur des Stücks. Meine Großmutter
hat versucht, auf meine Fragen zu antworten. Weil sie an Alzheimer erkrankt ist,
hat das nicht richtig geklappt. Sie hat ihre Erzählung immer wieder abgebrochen
und von vorne angefangen, ihr Erzählen verändert. Die Worte, die sie dabei
verwendet hat, waren nicht die, die eigentlich für die Erzählung vorgesehen
waren. Sehr traurig, aber auch unheimlich poetisch. Nach diesem Prinzip des
Versuchens und Scheiterns funktioniert auch die Lecture-Performance.
Geht es also mehr um
das Vergessen als ums Erinnern?
Um beides. Ich würde sagen, der O-Ton meiner Großmutter ist
einfach nur eine Extremform davon, wie wir immer erinnern. Wir erzählen Dinge
ja auch nie ganz gleich und trotzdem greifen wir immer auf Muster zurück, die
wir uns selbst gesetzt haben. Hinter diesen Mustern ist die eigentliche
Erinnerung oft gar nicht mehr richtig da.
//fs
Archiv der flüchtigen Dinge #4
Meine drei Großmütter
Donnerstag, 20 Uhr
HAU2 Foyer
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen