Montag, 17. Februar 2014

Vom Heiligen Pillendreher

Vogelperspektivisch betrachtet wirkt der zweidimensionale Grundrissplan des HAU1-Saals wie die Seziervorlage für einen gigantischen Heiligen Pillendreher (Scarabaeus sacer). Liest man die zahlreichen Längenangaben getreu der Legende im Maßstab 1:200, so ergeben die beiden Foyer-Wände, die den Zuschauerraum flankieren und sich zugleich als die Hinterbeine des imaginären Riesenblatthornkäfers ausnehmen, jeweils eine Länge von 12,80 m im realen Theaterraum.

Grafik: HAU Berlin


Versteht man die kreisrund eingezeichnete Drehbühne als Kopf des Insekts, so erscheint einem die Vorbühne unweigerlich als Thorax, der breitere Zuschauerraum als Abdomen mit einer Länge von 14 m und einer Breite von 10,50 m. 470 Menschen finden darin Platz.


Als Zuschauer befinden wir uns also irgendwo im Abdomen dieses monströsen Käfers aus der Unterfamilie der Scarabaeinae.
Es herrscht tiefe Dunkelheit.
938 andere, in der Finsternis umher starrende Augen.
Das Geräusch 469 atmender Lungen, plus der eigenen.
Hinzu kommen 470 grummelnde Mägen, ihr Klang, der eines nahenden Gewitters.
Gruselige (Theater-)Vorstellung.


Foto: U. Schmidt


Jedoch (oder zum Glück) wäre das Sinnbild unseres Heiligen Pillendrehers nicht komplett, würde man nicht auch auf seinen stark solaren Aspekt hindeuten, und dass er im Alten Ägypten mit dem Sonnengott Chepre in Verbindung gebracht wurde. Sein Name bedeutet der (von selbst) entstand, so wie die Ägypter auch glaubten, dass die Sonne jeden Morgen wieder von selbst aus der Erde emporsteigt.
Von selbst passiert in unserem Theatersaal-Abdomen allerdings nichts. Es braucht schon jemanden, der das Licht anknipst. Dies muss nicht zwingend ein Sonnengott sein. Im Regelfall genügt dafür ein Techniker oder eine Technikerin. Die Vorstellung eines totenstill-finsteren Theatersaals ist natürlich abwegig. In der Regel kommt man herein, alles ist soweit ausgeleuchtet, dass man seinem Vordermann nicht in die Hacken tritt und seinen Platz findet. Dann sitzt man da, genießt die Vorstellung, die Bühne ist fabelhaft ausgeleuchtet, sie dreht sich, wohin sie sich zu drehen hat, der Sound stimmt, alles ist dufte. Aber mal ehrlich, wer fragt nach den Leuten, die dieses ganze Drumherum so perfekt orchestrieren? Wer fragt nach den Leuten, ohne die jeder Theaterbesuch dem Besuch in einem finsteren Riesenkäferbauch gleichen würde? Die Antwort: Wir!

Wir haben drei Leuten sieben Fragen bezüglich ihrer Ängste und Freuden im Hinblick auf das 100° gestellt, und zwar Micky Esch, technischem Leiter des HAU2, Susanne Görres, technischer Leiterin des HAU1 und HAU3, sowie Elke Maria Koßmann von der EMK-Gästetafel, die dieses Jahr das Catering in den Sophiensaelen besorgt und gegen das gespenstische Grummeln leerer Publikumsmägen ins Feld zieht.  //mp






Sieben Fragen an Susanne Görres, Technische Leitung HAU1 und HAU3


Das Festival rückt näher. Vorfreude oder Schweißausbruch?

-

Bitte bewerten Sie Ihren Festival-Einsatz der vergangenen Jahre auf einer Stressskala von 1 bis 10 (Wobei 1 für ein Wellness-Schokoladenbad steht, 10 für einen Schützengrabeneinsatz bei Vollbeschuss).

7

Wie viele Hände und Füße (die eigenen ausgenommen) gilt es als  technische Leiterin während des  Festivals  zu koordinieren? (Angabe bitte in Extremitäten)

[zum Selberausrechnen:] In HAU1 und HAU3 sind 20 Techniker im Einsatz.

Wie wird man den Ansprüchen so vieler unterschiedlicher Theatergruppen gerecht? 

Indem man die Nerven behält und freundlich und bestimmt vermittelt, was möglich und was nicht zu realisieren ist.

Die Bühne des HAU3 (Foto: HAU Berlin)

Was wäre nach Ihrem Ermessen aus technischer Sicht das denkbar schlimmste Szenario während des Festivals?

Ein Unfall, bei dem sich jemand verletzt.

Was wäre nach Ihrem Ermessen aus nicht-technischer Sicht das denkbar schlimmste Szenario während des Festivals? 

Wenig und schlecht gelauntes Publikum.

Empfinden Sie, dass Ihre Arbeit und die Ihres Teams während und nach dem Festival entsprechend gewürdigt werden?

Ja.

Was war Ihr schönstes Erlebnis während der vergangenen Festivaljahre?

Der Besuch in der Ein-Personen Disco.

//mp

Sieben Fragen an Micky Esch, Technische Leitung HAU2


Das Festival rückt näher. Vorfreude oder Schweißausbruch?

Von beidem etwas.

Bitte bewerten Sie Ihren Festival-Einsatz der vergangenen Jahre auf einer Stressskala von 1 bis 10 (wobei 1 für ein Wellness-Schokoladenbad steht, 10 für einen Schützengrabeneinsatz bei Vollbeschuss).

Zwischen 6 & 8.

Wie viele Hände und Füße (die eigenen ausgenommen) gilt es als  technischer Leiter während des  Festivals  zu koordinieren? (Angabe bitte in Extremitäten)

36 (falls damit „nur“ das technische Personal gemeint ist).

Das Foyer des HAU2 (Bild: HAU Berlin) 


Wie wird man den Ansprüchen so vieler unterschiedlicher Theatergruppen gerecht?

Gar nicht.

Was wäre (nach Ihrem Ermessen) aus technischer Sicht das denkbar schlimmste Szenario während des Festivals? 

Ein Unfall mit Personenschaden.

Was wäre (nach Ihrem Ermessen) aus nicht-technischer Sicht das denkbar schlimmste Szenario während des Festivals? 

Der Drogenkurier hat eine Panne.

Empfinden Sie, dass Ihre Arbeit und die Ihres Teams während und nach dem Festival entsprechend gewürdigt werden?

Nee, weil es kaum jemand einschätzen kann (aber die Bezahlung ist OK).

Was war Ihr schönstes Erlebnis während der vergangenen Festivaljahre?

Da reicht diese Seite nicht aus.

//mp

Sieben Fragen an Elke Maria Koßmann, EMK-Gästetafel, Catering Sophiensaele

Das Festival rückt näher. Vorfreude oder Schweißausbruch?

Eindeutig Vorfreude!

Bitte bewerten Sie Ihren Festival-Einsatz der vergangenen Jahre auf einer Stressskala von 1 bis 10 (wobei 1 für ein Wellness-Schokoladenbad steht, 10 für einen Schützengrabeneinsatz bei Vollbeschuss).

4, auf keinen Fall Schützengraben! Ich finde, das Ganze hat auch etwas von einer Theaterproduktion: Man bekommt den Auftrag und muss erst mal planen und überlegen, was man will und kann. Dann muss man versuchen, alles mit den gegebenen Mitteln umzusetzen.

Wie viele Hände und Füße (die eigenen ausgenommen) gilt es als Caterer während des  Festivals  zu koordinieren? (Angabe bitte in Extremitäten)

Unterschiedlich. In der Küche sind es jeweils 6 Hände (eingesetzte Maschinen ausgenommen). Beim Catering am Abend zwischen 4 und 6 – mal sehen.

Wie wird man den Ansprüchen so vieler unterschiedlicher Besucher gerecht?

Das ist der heikelste Punkt und nicht kalkulierbar. Ich kann es nur so machen, wie ich es gerne hätte und hoffe, dass es möglichst vielen Menschen auch gefällt. Gute Ausgangsprodukte sind mir sehr wichtig und dass auch diejenigen etwas Leckeres finden, die sich vegetarisch ernähren wollen.


Elke Maria Koßmann (Foto: Eberhard J. Schorr)

Was wäre (nach Ihrem Ermessen) aus Catering-Sicht das denkbar schlimmste Szenario während des Festivals?

Hm – ein Stromausfall hätte nur Auswirkungen auf den Betrieb der Kaffeemaschine. Jetzt frage ich mich was wohl schlimmer wäre: Das keiner mein Essen mag oder dass es in Nullkommanichts aufgegessen wäre …

Was wäre (nach ihrem Ermessen) aus nicht- Catering-Sicht das denkbar schlimmste Szenario während des Festivals? 

Das Schlimmste wäre auch hier, dass keine Zuschauer kämen. Aber das ist nicht zu erwarten! Na ja, so ein Festival erfordert von allen Beteiligten überirdisch hohen Einsatz und kostet viel Kraft. Ich hoffe, dass alles gut klappt und neben der Arbeit auch viel Spaß macht.

Empfinden Sie, dass Ihre Arbeit und die Ihres Teams während und nach dem Festival entsprechend gewürdigt werden?

Auf jeden Fall!

Was war Ihr schönstes Erlebnis während der vergangenen Festivaljahre?

Im Theater ist jeder und jede Einzelne unendlich wichtig, alle haben ihre spezielle Aufgabe. Und wenn es dann läuft, entsteht für mich immer das wunderbare Gefühl, etwas gemeinsam zu stemmen. Darauf freue ich mich auch diesmal.

//mp