Sonntag, 23. Februar 2014

Die tägliche Mutter. Teil 3: Stiefkinder

 
Liebe Mutter,

ich stehe kurz vor der Machtübernahme. Das wird Wände beschreiben. Neben mir steht schon einer mit einem roten Stirnband. Es signalisiert Alarm. Wir hecken aus, wie wir aus Grauzonen Geschäftsmodelle erstellen. Es hat mit der Zentrifugalkraft und gesellschaftstauglicher Umstandsmode zu tun. Jedenfalls bin ich dann gegen Nachmittag diesem Syndikat beigetreten. Alles hier entwickelt sich zu einem großen Zusammenhang. Ich finde neue, maximal brisante Fragen, zum Beispiel: Warum sind vor 50 Jahren Leute mit Raketen auf den Mond geflogen, die dümmer waren als ein Taschenrechner? 
Meinen Berechnungen nach, schreibe ich dir auch morgen.

Halt die Fahnen hoch,
//tot

Klub der Kavaliersdelikte #Zeitvertreib

Du darfst mich zum Schnaps einladen.

Mitternachtsgeballer: Ich baller mir einen hinter die Binde! Erst nach dem Zielwasser zeigt sich meine Zielunsicherheit. Was habe ich versucht zu treffen? Ist auch egal, Hauptsache ballern. Liebes Kdk,entschuldigt die kaputte Kanone.

 
Foto: Matthias Nizinski

Shuttle bei Heiko

 
Heiko und seine fünf Kollegen machen den Shuttleservice zwischen den Spielstätten HAU, Sophiensäle und Ballhaus Ost. Der Urberliner hatte nach der Wende einen traditionellen Bauchkessel, aus dem er Bockwürste an Touristen verkaufte. Solche und andere Geschichten bekommen gehetzte Festivalbesucher zu hören, während sie sicher an die Spielstätte ihrer Wahl gefahren werden. Eine mobile Gemütlichkeit zwischendurch und somit wärmstens zu empfehlen. //mn


Samstag, 22. Februar 2014

Die tägliche Mutter. Teil 2: Königskinder



Liebe Mutter,

heute Morgen kam das große Erwachen. Rentner heißt rückwärts auch Rentner! Das ist mir im Zug aufgefallen, nachdem mir einer auf den Fuß getreten ist. „Rührend ist kein Argument“, hat er gesagt. Das habe ich nicht verstanden. Der Rest des Tages lief eigentlich ganz reibungslos. Auf dem Festival wo ich bin, sind ganz viele Leute. Aber die meisten sind immer, wenn sie rauchen. Viele hatten Kronen auf dem Kopf, aber keiner hatte Gold an den Zähnen. Künstler und Königskinder sehen beide wirklich komisch aus. Aber beide nicht dasselbe komisch. 
Ich bin weiterhin damit einverstanden, dir jeden Tag zu schreiben.

Mit Falten auf der Stirn,
//tot

Live hat absolute Priorität

Foto: Arne Schmitt

Freitag, 21. Februar 2014

Die unverrückbare Zwölf. Vom Bloggen über Tiefsinniges


Und dann sitzt du da im HAU1 mit deinem Schreibblock und siehst zu, wie dort jemand mit einer überdimensionalen Schere aus Pappe rumhantiert und dir damit irgendwas sagen will, natürlich ohne ein Wort zu verlieren, und du notierst dir: Richtig große Schere. Und würde dich irgendjemand fragen, was das zu bedeuten habe, dann würdest du wahrscheinlich stammeln: Na so Nabelschnur. Abnabelung irgendwie … so Mutterkomplex, siehe Freud … 

Und im Anschluss dann das Sitzen im Redaktionsbüro. Im Kopf das soeben Gesehene und vor den Augen das unerträgliche Weiß eines leeren Word-Dokuments. Links oben in der Ecke dieser kleine schwarze Strich, der den Schreibansatz anzeigt. Und blinkt. Im Halbsekundentakt. Und du wünschst dir, der Typ mit der Schere hätte irgendwann mal den Mund aufgemacht und so etwas gesagt wie: Liebes Publikum, diese Schere steht für die zunehmende Abkapselung des Individuums in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft. Hat er aber nicht. Nicht ein Wort. Und der schwarze Strich kommt und geht, kommt und geht. Und in der unverrückbaren Zwölf jeder Uhr lauert die Textdeadline und frisst Zeit. 

//mp


Die tägliche Mutter. Teil 1: Das Treppenkind




Liebe Mutter,

ich bin jetzt also hier auf diesem 100° Festival in Berlin. Und wurde versetzt, schon am ersten Tag. Ich wollte mir einen schönen kleinen Film ansehen – und jetzt sitze ich auf der Treppe, weil der nicht läuft.  „Der Film ist weg“, haben die gesagt. „Wie geht denn das?“, habe ich gefragt. Das konnte mir keiner beantworten. Lange Gesichter hatten wir alle.
Auf dem Weg hier hin, bin ich aus der U-Bahn ausgestiegen. Da stand einer, der war schon müde und hat in hohem Bogen gekotzt. Durch diesen Arc de Triomphe ist ein Hund durchgelaufen. Ich musste ein bisschen lachen, aber schön war das nicht.
Gleich sehe ich mir vielleicht einen Film an, in dem getanzt wird. Es geht wohl um „unten rum“. Danach sitze ich bestimmt wieder auf der Treppe.
Wie versprochen werde ich dir jeden Tag schreiben.

Aus der Ferne winkt,
//tot

Dienstag, 18. Februar 2014

Fetischismus und Obsessionen. Programmhefttextetexte


Vier Tage. Einhundert Seiten. Zweihundert Punkte im Haupt- und Rahmenprogramm. Beim Versuch, diese Wortmasse zu bändigen, verschwimmen die Texte. Die Augen brennen, der Wahnsinn nagt an der Hirnrinde.
Sieben fiebrige Miniaturen, zusammengeschnitten aus dem Megamaterial des Programmhefts.

Unsere Autorin bei der Arbeit.

we are celebrities
goethe, die rote ilse und bela lugosi (ein weißer junger mann) bekommen den menschenrechtspreis. ihr kardiovaskuläres engagement, den irrwitz unseres daseins phänomenologisch in 45 minuten am meer darzubringen, so jurorin britney spears, sind in der union aus seniorenchor und opa im fitnessstudio pure disko.
die wodka-trophäe in sondergröße steckt mit einigen paranüssen in einer kleinen grünen schachtel von tiffany's und – ach und o! – kann zu scattered movement, unflätigem pöbeln und constipation führen.


love discourse
an einem mehldunstigen frühlingstag der wm 1945 besteigt ein tanzender schlumpf mit unsichtbarem hund die kaiser-wilhelm-spitze. nach five minutes sieht er sich face to face mit einem larmoyanten himmelskörper. baby, sagt der lh, let's stay together. i know my perfection is exhausting ... – halb fisch ganz fisch, ma cherie, sagt der schlumpf, since you're not on facebook: das ist von mir zu dir. meine lebendige installation: wichsen zocken haarausfall, kein messias-monolog. häusliche gewalt, rabenmütter, nuclear desaster, wir entwickeln uns in verschiedene richtungen. sagt lh: gern msjö. gönn dir. my epic everyday: elektronische live-musik, wattebäusche zum frühstück, jorinde und joringel. schau, ich will den erotischen kuss alleine. ich suche mein glück auf dem planeten venus.


sarah throes herself off a bridge in 1885
medical records: brain's left and right hemispheres in polen am strand. haare auf dem kopf. trinken taumeln weiter, noch 24 stunden zu leben. detached uterus, körper ohne kommunikation, eine live-schmerzperformance wie die schildkröte und achilles. als liebeshypochonder sage ich: jetzt reichts. meine augengläser sehen formen und früchte. romeo und julia leben noch, aber die unmöglichkeit eines selbstbestimmten lebens macht mich zum frühreifen mädchen. we need illusions to survive, und ich habe keinen honig mehr. für den abyss gebe ich heute die perfekte show: ankommen, wirbel machen, ausziehen, höhepunkt. abgang.


marx' kapital hat bewegungspotenzial
lyrik auf der bühne. bad advice. geld ist dann 20 minuten nichts mehr wert.


unfasslicher eintopf
opernskizze: frauen in ihrem natürlichen lebensraum schreiben musik in bewegung um. nach ideen des publikums bauen sie in ihrer fragebogen-performance eine klingende dampfmaschine, mit der sie und türsteher dave durch die wastelands of germany von der peep show box zum institut für passive erfahrung reisen. sie machen die beine sooft sie wollen für dorfdämonen breit, denn im krieg und in der liebe ist alles erlaubt. vögelgewohnheiten live performt. europa aufs schärfste.
regieanweisungen: performer tragen kopfschmuck mit federn. entscheidungen werden für die öffentlichkeit getroffen. für physically needed support befindet sich ein masseur auf der bühne. masturbation androgyner rostocker als strafaufgabe.


bügeleisen tanzen nicht
quantum physics ist freiraum der kunst. the ultimate free moment working with visible and invisible things und der ganze zirkus. beschleunigung und auflösung von raum und zeit. das rätsel. das unbekannte. die lebenslüge im teilchenbeschleuniger. weltraum ist puppenspiel.


staged autobiography
meine utopie: heirat mit schöner schweizerin. keine schmuddelliteratur mehr, kein tarot, keine albträume. stattdessen: 1001 abenteuer in menschlicher landschaft, direkte verbindung von ohr und haut. liebeserklärung. die lust an der unfreiheit ist der eisberg meiner titanic. mein körper wird zum messinstrument für das schweizer gespenst der bronx und ihren narzissmus. my inner animal tells me: ich will spielen und kann nicht aufhören, dienst beim könig zu verrichten, oder, in meinem fall: bei der königin. die regeln bestimmt jeder selbst.

//ar