Sonntag, 23. Februar 2014

Die tägliche Mutter. Teil 3: Stiefkinder

 
Liebe Mutter,

ich stehe kurz vor der Machtübernahme. Das wird Wände beschreiben. Neben mir steht schon einer mit einem roten Stirnband. Es signalisiert Alarm. Wir hecken aus, wie wir aus Grauzonen Geschäftsmodelle erstellen. Es hat mit der Zentrifugalkraft und gesellschaftstauglicher Umstandsmode zu tun. Jedenfalls bin ich dann gegen Nachmittag diesem Syndikat beigetreten. Alles hier entwickelt sich zu einem großen Zusammenhang. Ich finde neue, maximal brisante Fragen, zum Beispiel: Warum sind vor 50 Jahren Leute mit Raketen auf den Mond geflogen, die dümmer waren als ein Taschenrechner? 
Meinen Berechnungen nach, schreibe ich dir auch morgen.

Halt die Fahnen hoch,
//tot

Vegan or Free-gan?


Ich brauche Rat. Ich bin unzufrieden mit mir. Ich muss etwas an mir ändern. Gut, dass Crystal Tits Rat wissen. 

Nachdem ich den beiden und mir Wodkashots erschnorre, kommen die besten bad advices wie von selbst. Eine Karte, die von der Kristallkugel ausgewählt und vom Dreieck bestätigt wurde, hat die Strategie für mich parat, mit der ich eine sexier und most-fun alternative meiner selbst werden kann. Ich muss ein Free-gan werden. Meine Freundlichkeit vergessen und den Anarchie-Button durch Stars-and-Stripes ersetzen. Ihr werdet mich demnächst auf der Karl-Marx-Straße sehen, in einer USA-Leggins, logo. //mn


Mittwoch, 19. Februar 2014

As long as I know how to play I know I will survive. Regelwerk einer Festivaldebütantin


Das 100° muss grauenhaft sein! Der Vorhof der Tausendmöglichkeitenhölle, die Beihilfe zum Suizid für Entscheidungsschwache. Survival of the Fittest, haucht die freie Theaterszene heiß und unheilvoll in meinen 100°-Debütantinnen-Nacken, und ich weiß nicht, was mir mehr Angst macht: Der schirokkoartige Luftstrom, der Überforderung und Wettbewerb verheißt und das Wasser in meinem Körper zum Sieden bringt, oder die Unwissenheit darüber, was „die aus dem Off“ schon wieder mit mir vorhaben. Ich schwitze, brauche dringend (bis morgen!) eine Strategie und wühle mich manisch durch alle 1OOWORT-Einträge meiner bloggenden Vorväter und -mütter. Aus den Fundstücken bastele ich folgendes Regelwerk, das ich, während ich mit Birkenzweigen mein glühendes Fleisch geißele, wie ein Mantra vor mich hinmurmele:

§1 Auftritte und Abgänge: Never just in time! Performances stets nach Vorstellungsbeginn aufsuchen, vor dem Applaus wieder verlassen, nächste crashen. Bei Langeweile sofort raus. Heißt für andere: Bestimmt wichtig, erlauchtes Jurymitglied, ehrenwerte Kuratorin, junger aufstrebender Regisseur. Gedanken an Vergleich mit Bildzeitungsschlagzeilenlektüre in der Kassenschlange abschütteln, lieber von der Würdigung der besonderen VIP-Aura durch ein Foto von Henrike Iglesias oder die Zerstörung meines ganz persönlichen Lieblingssongs durch Richi Rich träumen.

§2 Wahl der Unterwäsche angesichts der Unmöglichkeit eines Wechsels während nicht vorhandener Programmlücken, bei gleichzeitiger Wahrscheinlichkeit von Übergriffen auf meinen phänomenalen Zuschauerkörper in Zeiten des allumfassenden Wunsches nach Überschreitung der Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum unter Zuhilfenahme aller vier Elemente: die ungeblümte, nichtweiße, comicapplikationslose, intransparente, möglichst zusammenpassende, gut sitzende, also weder einschneidende, noch von Oma als ordentlicher Schlüpfer betitelte, lochfreie. (Ähnliches gilt für Socken respektive Strumpfhosen.)

§3 Unter Androhung des Nachsitzens auf Peters und Pauls höchstliegender Schwitzstubenpritsche zu vermeidende Fragen im WAU und an den Spielstättenbars: Sag mal, Performerbody, magst du mich von deiner wolf-of-wall-street-reifen Künstlergage nicht mal zu nem Bier einladen? / Und –  rentenversichert? Geile Schafskopfmaske – was wolltest du mir eigentlich damit sagen?

§4 Premierensekt/Nichtpremierensekt: Der erste richtet auf. Der zweite hält konstant. Und so fort.

§5 Rückgriff auf Übergangsrituale, wissenschaftlich dafür bekannt, noch jedes krisengeschüttelte Individuum in den Schoß der Zivilisation zurückgeführt zu haben. Hier: Shuttlebusfahren unter Inkaufnahme bzw. Billigung der gedanklichen Echolalie einschlägiger Zeilen aus den Demobändern. Beichtstuhlbesuche beim Klub der Kavaliersdelikte. Unterbewusstseinskritzeleien an den vorgesehen Stellen im Programmheft.

§6 Urteil: Endlich mal selber „Dschüri“ sein. Gnadenlos für den Publikumspreis abstimmen. Winterolympiadenmentalität ablegen. Eher à la Wolfgang Joop: „Du bist ein Performer, der besser zu Hause aufgehoben ist.“

//fs